Geschäftslage meist schlecht bei IHK-Unternehmen
(Konstanz) Die Corona-Pandemie und ihre Folgen schlagen sich deutlich in der aktuellen Geschäftslage und den Erwartungen der Unternehmen am Hochrhein und Bodensee nieder.
Der von der IHK Hochrhein-Bodensee (IHK) errechnete Index für das Konjunkturklima in der Region ist durch die Corona-Auswirkungen erdrutschartig von 130 auf 84 Punkte abgesackt. „Der Absturz der Konjunkturindexzahlen ähnelt in Verlauf und Fallhöhe bis dato der Finanzmarktkrise“, so Alexander Graf in Konstanz, der die Konjunkturumfrage bei der Kammer durchführt. „Allerdings sind durch Corona wesentlich mehr Branchen von den negativen Folgen betroffen. Je länger die Pandemie anhält, desto mühsamer wird es für die Unternehmen werden, aus diesem Tief herauszukommen.“ Das meistgenannte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen in den kommenden Monaten ist die Corona-Pandemie und dadurch bedingt die Entwicklung der Inlands- und Auslandsnachfrage.
Geschäftslage meist schlecht
Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage durch die Unternehmen ist im Vergleich zum Jahreswechsel schlechter ausgefallen. Der „Lage-Indikator“ hat gegenüber dem Jahreswechsel fast die Hälfte seines Niveaus eingebüßt und befindet sich mit 77 Punkten (Jahreswechsel: 146 Punkte) auf einem ähnlich tiefen Stand wie zu Zeiten der Finanzmarktkrise 2009. So beurteilen 21 Prozent der teilnehmenden Betriebe ihre momentane Geschäftslage als gut, 44 Prozent dagegen als schlecht, während 35 Prozent noch zufrieden sind. Identisch sieht es bei der Ertragslage der Unternehmen aus.
Auslastungsgrad der Industrie bricht ein
Hatte sich bereits seit vergangenem Herbst eine Abkühlung im Bereich der produzierenden Unternehmen abgezeichnet, so bewirkt der Ausbruch der Pandemie nun einen Einbruch sämtlicher Konjunkturindikatoren in der Industrie.
Die Umsätze sind im Vergleich zum Vorjahresquartal bei 75 Prozent der Betriebe gesunken. Der Indexwert für die Geschäftslage der Industrieunternehmen in der Region Hochrhein-Bodensee ist von 132 Punkten zu Beginn des Jahres auf aktuell 77 Punkte abgesackt. Der Anteil der Unternehmen, die die Geschäftslage mit „gut“ bezeichnen, hat sich seit Jahresbeginn von 46 auf 25 Prozent reduziert. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Unternehmen, die von einer schlechten Geschäftslage sprechen, von 14 auf aktuell 48 Prozent zu. Dies geht einher mit der Beurteilung der Ertragslage: 47 Prozent bezeichnen diese als schlecht.
Ein Ausdruck der aktuellen Situation ist der Auslastungsgrad der Kapazitäten in der Industrie. Dieser befindet sich mit rund 68 Prozent auf dem tiefsten Punkt seit über 20 Jahren und weit von seinem langjährigen Mittel, von rund 86 Prozent, entfernt.
Dass die Talsohle damit erreicht ist, ist zu hoffen. Momentan berichten allerdings noch immer mehr Produktionsbetriebe von einer fallenden Tendenz im Auftragseingang (44 Prozent) als von einer ansteigenden Tendenz (24 Prozent).
Dienstleistungsbereich und Handel mit spürbar negativen Auswirkungen
Wenig verwunderlich zeigen sich die Auswirkungen des Shutdowns und der Grenzschließungen in Folge der Pandemie auch bei den Betrieben in Handel und Dienstleistungsbereich. Konnten beim Umsatz zu Jahresbeginn noch 45 Prozent der Dienstleistungsbetriebe eine Steigerung gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal verzeichnen, so sind dies aktuell nur noch zwölf Prozent, während bei 75 Prozent die Umsätze gefallen sind. Der überwiegende Teil der Dienstleister (48 Prozent) ist mit seiner Lage noch zufrieden, wobei die Zahl derer, die die Lage als schlecht bezeichnen, von einem Prozent zu Jahresbeginn auf nun 34 Prozent hochgeschnellt ist. Eine steigende Tendenz beim derzeitigen Auftragsvolumen sehen rund ein Viertel der Betriebe, während 44 Prozent ein fallendes Volumen verzeichnen.
Unter den Händlern berichten 52 Prozent von einer schlechten Geschäftslage. Zu Jahresbeginn waren dies nur acht Prozent gewesen. Umsatzausfälle haben 75 Prozent der regionalen Handelsunternehmen im Vergleich zum Vorjahresquartal zu verzeichnen. Dementsprechend fällt bei mehr als jedem Zweiten (57 Prozent) die aktuelle Bewertung der Ertragslage schlecht aus. Und auch das Kaufverhalten der Kunden bezeichnen 84 Prozent der Händler momentan weder als kauffreudig noch saisonüblich, sondern als zurückhaltend.
Reduzierte Erwartungen für die kommenden zwölf Monate
Angesichts der aktuellen Lage ist die Geschäftserwartung der Unternehmen in der Region Hochrhein-Bodensee – auch im Vergleich zum Ergebnis im Land Baden-Württemberg – bemerkenswert. Denn jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) ist optimistisch gestimmt und geht von einer Verbesserung der Geschäftsentwicklung aus; in Baden-Württemberg sind es mit 22 Prozent etwas weniger. Die Anzahl der Unternehmen im Kammerbezirk, die von einer schlechteren Entwicklung in den kommenden Monaten ausgehen, liegt bei rund 36 Prozent, während im Land insgesamt mehr als 43 Prozent negative Entwicklungen prognostizieren. Ob die Wende zum Besseren damit bereits bevorsteht, wird allerdings wesentlich vom weiteren Verlauf der Pandemie in der zweiten Jahreshälfte abhängen.
In der Dienstleistungsbranche geht ein Drittel der Unternehmen aktuell von besseren Geschäften in den kommenden Monaten aus, 30 Prozent rechnen mit einem gleichbleibenden Verlauf und 37 Prozent mit einer Verschlechterung der Geschäftsentwicklung.
Im Handel haben nur 17 Prozent der Betriebe einen positiven Blick nach vorne und gehen von besseren Geschäften aus, während jedes zweite Unternehmen mit keiner Veränderung der Geschäftsentwicklung rechnet. Ein weiteres Drittel geht sogar von einer Verschlechterung in den kommenden Monaten aus.
Die meisten Produktionsbetriebe gehen von einer gleichbleibenden Entwicklung in den nächsten Monaten aus. Allerdings steigt der Anteil der Unternehmen, die eine Verbesserung der Geschäftsentwicklung prognostizieren gegenüber der Befragung zum Jahreswechsel von 18 auf 32 Prozent an. Mit einer weiteren Verschlechterung rechnet ein Viertel der Produktionsbetriebe. Die Exporterwartungen gehen allerdings großteils zurück. Die Hälfte der Betriebe geht von fallenden oder keinen Exporten in den kommenden Monaten aus. Rund ein Viertel der Industriebetriebe erwartet dagegen steigende Exporte.
Investitionsabsichten rückläufig
Auch auf die Investitionsabsichten der Unternehmen im Inland zeichnen sich Corona bedingt negative Auswirkungen ab. So wollen rund 14 Prozent aller Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten gar nicht investieren und 39 Prozent bei den Investitionen kürzen. 43 Prozent wollen die Investitionsbudgets beibehalten und lediglich zwölf Prozent wollen mehr investieren. In der Industrie sind es gar 47 Prozent, die die Investitionen herunterfahren und zehn Prozent, die gar nicht investieren werden. Die Bedeutung von Digitalisierung hat sich gerade auch in dieser Krise gezeigt. Entsprechend geben nun wesentlich mehr Unternehmen aus Handel und Produktion an, bei der Verwendung der Mittel in Digitalisierungsmaßnahmen investieren zu wollen. Ansonsten bleibt das Hauptmotiv der Investitionen der Ersatzbedarf (66 Prozent).
Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung
Schnellen staatlichen Soforthilfemaßnahmen und Überbrückungshilfen in der Corona-Krise sei Dank, geben aktuell 57 Prozent der Betriebe an, dass sie einen guten Zugang zu externer Finanzierung haben. Aber der Anteil derer, die keine Finanzierung erhalten haben, ist von einem Prozent im Vorjahr auf nun sechs Prozent angestiegen. Und auch der Anteil der Unternehmen, die keine externe Finanzierung benötigen, ist im Vergleich zum Vorjahr von 31 auf 18 Prozent gesunken.
Abnahme der Auftragseingänge, Stornierung von Aufträgen, aber auch logistische Engpässe sowie Engpässe in der Liquidität sind häufig genannte Auswirkungen der Corona-Krise auf die Geschäfte der Unternehmen in der Region. Die am häufigsten genannten Reaktion darauf sind branchenübergreifend die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, die Neugestaltung von Arbeitszeitmodellen und Arbeitszeitorganisation sowie eine verstärkte Digitalisierung im Unternehmen. Ob dies helfen wird, die Beschäftigtenzahlen vor Ort in den Unternehmen zu halten, wird sich zeigen. Aktuell jedenfalls plant jedes zweite Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten mit einer gleich bleibenden Beschäftigtenzahl. Zehn Prozent gehen sogar von steigenden Mitarbeiterzahlen aus, 38 Prozent rechnen mit fallenden Belegschaftszahlen. Entsprechend ist auch der Fachkräftemangel als Risiko für die Geschäftsentwicklung in der aktuellen Umfrage aus den Top-3-Nennungen verdrängt worden. Waren es zu Jahresbeginn noch zwei Drittel der Betriebe die hierin ein Risiko sahen, so sind es aktuell weniger als ein Drittel. Mit 79 Prozent der Nennungen ist die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie in den nächsten Monaten die Sorge, die die Unternehmen am meisten umtreibt. In direktem Zusammenhang damit stehen auch die Sorgen um die Inlandsnachfrage (64 Prozent) und die Auslandsnachfrage (39 Prozent), als ebenfalls sehr häufig genannte Risiken.
Die Corona-Pandemie hat zu einem historischen Einbruch in den allermeisten Branchen der Region geführt. Wie lange die Auswirkungen in der Region zu spüren sein werden hängt auch davon ab, wie gut es gelingen wird, die Pandemie weltweit unter Kontrolle zu bringen. Das entschlossene und schnelle Handeln der Politik in Bund und Land in der Krise, die Initiierung und Umsetzung der zahlreichen Soforthilfe- und Konjunkturprogramme wird sich positiv auf den nationalen Binnenmarkt auswirken. Da zahlreiche Arbeitsplätze in der Region aber vom Export abhängen, ist eine positive wirtschaftliche Entwicklung des gesamten europäischen Binnenmarktes sowie eine weltweite Erholung für einen nachhaltigen Aufschwung notwendig. Der DIHK rechnet für das Jahr 2020 mit einem Einbruch des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 10 Prozent. Umso wichtiger erscheint es, nun auch nationale und europäische Rahmenbedingungen so anzupassen, dass die Binnennachfrage und die Investitionsquote des privaten und öffentlichen Sektors in Innovationen und Bildung erhöht werden. Mögliche fiskalische Stimuli sowie ein notwendiger Bürokratieabbau könnten hierbei hilfreich sein.