Immer mehr Menschen müssen in Tafeln einkaufen
(Freiburg) Bei den Tafelläden, die die Caritas in Baden-Württemberg betreibt, steigt die Anzahl der versorgungsbedürftigen Menschen. An manchen Standorten werden mehr Einkaufsausweise ausgestellt als üblich.
Auch die Nachfrage nach Beratung zu sozialrechtlichen Fragen in Armutslagen wird größer. „Durch Kurzarbeit und Jobverlust geraten immer mehr Menschen in existenzielle Not. Dass die Caritas mit ihren Tafelläden aber die Grundversorgung der Menschen sichern soll, läuft in eine falsche Richtung“, so die Caritasdirektoren Annette Holuscha-Uhlenbrock (Stuttgart) und Ordinariatsrat Thomas Herkert (Freiburg). Sie betonen, dass auch weiterhin die Verantwortung beim Staat liege, für in Armut geratene Menschen und deren Kinder die Voraussetzung zur Grundversorgung an Lebensmitteln, Wohnraum, Kleidung und auch Bildung zu sichern.
Die Grundversorgung ist für ärmere Menschen ohne Tafel inzwischen nur noch eingeschränkt möglich. Die Caritas im Land unterstreicht, dass ihr Angebot in den Tafeln aber immer nur als ergänzendes Angebot zur Grundsicherung gedacht ist. Um finanziell über den Monat zu kommen, macht das zu niedrig bemessene Budget der Grundsicherung für viele betroffene Haushalte den Gang zu Tafel notwendig. Die Tafeln dürften aber nicht zum festen Standbein werden, auf das auch der Sozialstaat setze. „Dieser Sozialstaat hat Lücken, und das tritt nun immer deutlicher zutage. Dass die Hartz-IV-Sätze viel zu niedrig bemessen sind, wird einmal mehr deutlich“, betonen die Caritasdirektoren. „Es ist nicht die Aufgabe der Tafeln, existenzielle Not dauerhaft zu lindern. Es darf auch nicht sein, dass Empfänger von Sozialgeld in den Jobcentern aktiv auf das Angebot der Tafeln hingewiesen werden, um einen niedrig bemessenen Regelsatz zu kompensieren, wie es bisher schon der Fall ist.“
Die Corona-Krise verstärke die Not der Erwachsenen und Kinder, die schon vor der Krise in Armut oder an der Grenze gelebt haben: Lebensmittel haben sich verteuert, auch aufgrund von Hamsterkäufen. Versorgungs- und Angebotsstrukturen wie kostenlose oder günstige Mittagessen sind durch Kita- und Schulschließungen weggefallen. Vielfach wurden die Tafeln inzwischen als systemrelevant eingestuft. Doch auch für die Caritas ist es in diesen Zeiten schwierig, den Betrieb in ihren Tafelläden aufrecht zu erhalten. Vorübergehend musste auch ein Teil der Tafeln in Trägerschaft der Caritas ihren Betrieb einstellen, weil die Helfer weggebrochen waren oder Maßnahmen zum Hygieneschutz sich nicht umsetzen ließen. Die geöffneten Caritas-Tafelläden in der Erzdiözese Freiburg und Diözese Rottenburg-Stuttgart verfolgen aber weiterhin den zentralen Ansatz: Menschen, die eine Tafel aufsuchen, werden dahingehend begleitet, dass sie sich neue Perspektiven erschließen können. Teilweise beschäftigt die Caritas daher auch langzeitarbeitslose Menschen in den Tafeln. Sie sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Arbeit.
In ganz Deutschland stellen 940 Tafeln eine Versorgung von bedürftigen Menschen mit Lebensmitteln sicher. Von den 147 Tafeln in Baden-Württemberg werden 37 – also ein Viertel – von der Caritas Baden-Württemberg betrieben. Die Anzahl derer, die das Angebot in Anspruch nehmen, ist rasant gewachsen und steigt auch dieser Tage weiter an. So nahmen 2019 bundesweit rund 1,65 Millionen bedürftige Menschen regelmäßig das Angebot der Tafeln in Anspruch. Gegenüber dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 10 Prozent.