IHK-Konjunkturklimaindex auf tiefstem Stand seit 2012
(Freiburg) Die IHK Südlicher Oberrhein hat erneut rund 1.000 Unternehmen um Auskunft über ihre derzeitige Geschäftslage und ihre Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung gebeten. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zum Herbst 2019 präsentierten IHK-Präsident Steffen Auer und IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon im Rahmen einer Pressekonferenz am heutigen Donnerstag in Freiburg. Mit dabei auch Pascal Schiefer vom Wolfacher Automobilzulieferer Carl Leipold und Kenner der Branche.
Zum dritten Mal in Folge ist der Wert des Index der Geschäftslage am südlichen Oberrhein gesunken. Im Herbst 2019 verliert er gar deutlich an Boden. Aktuell liegt er bei 36 Punkten – im Vergleich zum Frühsommer ein Rückgang um neun Punkte. Mit 46 Prozent sind es aber immer noch knapp die Hälfte der Unternehmen, die die eigene Geschäftslage als gut bezeichnen, während zehn Prozent unzufrieden sind. Viele Unternehmen zehren also weiterhin von der guten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre.
Stärker als bei der Lagebewertung ist die Abwärtsbewegung bei den Erwartungen an die kommenden zwölf Monate. Der Index der Geschäftserwartungen verliert 18 Punkte und liegt nun mit minus sechs Punkten erstmals seit Jahresbeginn 2013 wieder im negativen Bereich. Das heißt, zum ersten Mal übersteigt der Anteil der Unternehmen, die mit einer negativen Geschäftsentwicklung rechnen, mit 23 Prozent wieder jenen derer, die positiv in die Zukunft blicken – hier sind es nur 17 Prozent.
Die Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen werden zum IHK-Konjunkturklimaindex kombiniert. Er verliert 14 Punkte und steht nun mit 113 Punkten so tief wie seit 2012 nicht mehr. Entsprechend zurückhaltend sind die Unternehmen auch bei den Investitionen. Der Index der Inlandsinvestitionen steht mit minus einem Punkt erstmals seit 2013 wieder knapp im negativen Bereich. „Die Unternehmen werden vorsichtiger und investieren derzeit meist nur noch dort, wo es am nötigsten ist“, interpretiert IHK-Präsident Auer die Tatsache, dass nur noch 22 Prozent der Unternehmen angeben, zum Zweck der Kapazitätserweiterung zu investieren.
Beim Blick in die Branchen zeigt sich eine deutliche Diskrepanz. In der Industrie schlägt sich die weltwirtschaftliche Abkühlung unmittelbar auf den Oberrhein durch. Der Index der Geschäftslage fiel seit Jahresbeginn 2018 fast kontinuierlich von seinem Allzeithoch mit 68 Punkten auf nun nur noch 20 Punkte ab. Auch kalkulieren deutlich mehr Unternehmen damit, dass ihre Beschäftigungszahl in den kommenden zwölf Monaten sinken wird. Auer: „Das könnte natürlich alles anders aussehen, wenn Trump und China sich doch noch einigen würden.“
Überraschend ist für Auer, dass mehr als ein Drittel der Unternehmen der Dienstleistungsbranchen von einer Verschlechterung der eigenen Geschäfte ausgehen, nicht mal ein Fünftel schauen optimistisch auf das kommende Jahr. Zuletzt waren die Erwartungen der Dienstleister nicht so negativ.
Unbeeindruckt von der Konjunktur zeigt sich der Handel. Denn noch immer sorgen eine hohe Beschäftigung und die Reallohnzuwächse der vergangenen Jahre für ein positives Konsumklima am südlichen Oberrhein. Auch das Hotel- und Gastgewerbe ist bisher ebenfalls noch nicht von der konjunkturellen Großwetterlage in Mitleidenschaft gezogen worden. Ebenfalls kaum betroffen ist die Bauwirtschaft, allein die Zukunftserwartungen trüben sich etwas ein.
Bei der Frage nach den größten Sorgen der Unternehmen rückt der Fachkräftemangel etwas in den Hintergrund. Er ist zwar mit 56 Prozent der meistgenannte Risikofaktor, lag aber zu Jahresbeginn noch bei 69 Prozent. Für große Bedenken sorgt im Herbst ein anderes Thema: Mittlerweile gibt mit 51 Prozent mehr als jedes zweite Unternehmen an, eine sinkende Inlandsnachfrage zu fürchten – so viele wie noch nie, seit die Frage erstmals im Jahr 2011 in den Konjunkturumfragen der Industrie- und Handelskammern eingeführt wurde. Wieder häufiger als Risikofaktor genannt wird mit 37 Prozent die Wirtschaftspolitik. Dies ist der höchste Wert seit Frühjahr 2017 und sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass sich zunehmend Verunsicherung in der Unternehmerschaft breit macht, ob die Politik in der Lage ist, nach wirtschaftlich starken Jahren, die sich durch immer neue Rekorde bei den Steuereinnahmen auszeichneten, angemessen auf die veränderte konjunkturelle Großwetterlage zu reagieren. „Wir vermissen den strategischen Ansatz der Politik“, kritisiert der IHK-Präsident.
Zwar ist der südliche Oberrhein kein so bedeutender Standort im Fahrzeugbau wie andere Regionen Baden-Württembergs, doch arbeitet mit knapp 13 Prozent ein großer Anteil der Beschäftigten in Unternehmen, die zu Zulieferern im weiteren Sinne zählen. So galt ein Fokus der IHK-Pressekonferenz dieser Branche. „Bei uns liegt die Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor bei 30 bis 35 Prozent“, berichtet Pascal Schiefer, Vorsitzender der Geschäftsführung des Wolfacher Automobilzulieferers Carl Leipold, aus seinem Betrieb. Die aktuelle Wirtschaftslage hat bei ihm aktuell zu acht bis zwölf Prozent Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr geführt. „Bis Ende des Jahres machen wir drei bis fünf Tage Kurzarbeit im Monat, danach sehen wir weiter.“ Angst vor einem Krisenjahr wie 2009 hat Schiefer nicht: „Ich glaube nicht, dass wir in eine schwere Rezession kommen. Aber ich rechne damit, dass die Schwächephase deutlich länger dauern und sich über mehrere Jahre hinziehen wird. Eine schnelle Erholung wird es nicht geben.“ Auch der Mittelständler kritisiert die Politik. „Die Frage ist doch, wo es langgeht. Wir brauchen Rahmenbedingungen.“ Fehlende Rahmenbedingungen führen nach Einschätzung Schiefers zu Unsicherheiten, die wiederum weniger Investitionen zur Folge hätten.
Steffen Auer sieht einen deutlichen Unterschied zu vergangenen Krisen: „Der Fachkräftemangel ist groß und der Bedarf an Mitarbeitern weiterhin hoch. Sicher wird der aktuelle Abschwung nicht in eine hohe Arbeitslosigkeit laufen.“ Das sieht IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon genauso: „Heute sind wir in einer ganz anderen Phase als 2009. Es wäre fatal für die Unternehmen, die Menschen zu entlassen.“