Fastenhirtenbrief
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hat zum ersten Sonntag der Fastenzeit (09. März) seinen traditionellen ...
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hat zum ersten Sonntag der Fastenzeit (09. März) seinen traditionellen Fastenhirtenbrief veröffentlicht. Darin ruft der Erzbischof zu einer Auseinandersetzung mit der Frage auf, was Frieden bedeutet und was ihm im Weg steht. Besonders betont Stephan Burger unter anderem die Bedeutung des interreligiösen Dialogs als Voraussetzung für den Weltfrieden, der ohne Religionsfrieden nicht denkbar sei. Er verweist auf globale Herausforderungen wie Klimawandel, Migration und Ressourcenverteilung und mahnt zu einer gemeinsamen Verantwortung der Religionen für die Würde jedes Menschen.
Der vollständige Wortlaut der Predigt:
„Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen.“ (Röm 10,11)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wesentliche Schritte sind in den vergangenen Wochen und Monaten in unserer Kirchenentwicklung 2030 vollzogen worden und weitere werden folgen. Ein herzliches Danke allen, die diesen Prozess konstruktiv voranbringen.
Doch mit diesem Fastenhirtenbrief möchte ich den Blick nicht auf unsere strukturellen Veränderungen lenken, sondern vielmehr auf ein Thema, das uns verstärkt in unserer zerrissenen und von politischen Verwerfungen geprägten Welt umtreibt. Es ist die Frage nach dem Frieden. Dieser Friede ist dort gefährdet, wo der Mensch den Versuchungen erliegt, die im Evangelium beschrieben sind. Diese Versuchungen begegnen uns ständig, sei es auf politischer, gesellschaftlicher wie auf religiöser Ebene. Sie begegnen uns in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen. So die Versuchung, von anderen mehr zu verlangen, als diese zu leisten im Stande sind. Wer kann schon aus Steinen Brot machen? Die Versuchung, Menschen zu verherrlichen, sie zu vergöttern, ihnen schon zu irdischen Lebzeiten Kultstatus zuzubilligen, als ob sie uns die Erfüllung aller Wünsche erwirken könnten. Die Versuchung, das Schicksal herauszufordern, in dem kein Risiko zu groß erscheint, um das eigene Glück zu erreichen. Manchmal mag der hinter uns liegende Wahlkampf uns an solche Versuchungen erinnern. Oder denken wir an Personen, die mit allen Mitteln im Leben vorankommen wollen. Wer diesen oder ähnlichen Versuchungen erliegt, hat vielleicht die Chance, mit Geschick und Durchsetzungsvermögen auf der Karriereleiter aufzusteigen. Doch schafft dies auf Dauer wirklich den Frieden mit sich und den anderen sowie das ganz persönliche Glück?
Die Antworten, die Jesus auf diese Versuchungen gibt, weisen in eine andere Richtung. Auf das für uns Menschen unmögliche Wunder, Steine in Brot zu verwandeln, antwortet er, dass der Mensch nicht nur vom Brot allein lebt, sondern von Gottes Wort (Lk 4,4 im Vgl. mit Mt 4,4), das Leben schenkt, Leben über diese Welt hinaus. Statt der Verherrlichung des Bösen geht es einzig und allein um die Anbetung Gottes. Und bei aller Risikofreudigkeit menschlichen Willens bleibt dann doch die vernünftige Abwägung, Gott nicht auf die Probe zu stellen. Kurzum, jedes Mal steht als Antwort auf die jeweilige Versuchung die Beziehung zu Gott. Wenn der Mensch seinen Platz in dieser Welt verantwortlich einnehmen will, so erreicht er dies über die Beziehung zu seinem Gott. Dies ist zugleich der Schlüssel für gelebte menschliche Beziehungen sowie für ein gelungenes, zufriedenes Leben. Daran erinnert uns die Lesung aus dem Buch Deuteronomium. In der Geschichte Israels zeigt sich die göttliche Führung. Diese Führung wird erkannt, anerkannt und in Dankbarkeit für die Ernte in der Anbetung Gottes zum Ausdruck gebracht. In diesem Sinne fordert auch der Römerbrief, sich zur Auferstehung des Herrn zu bekennen. Denn dieses Bekenntnis, dieser Glaube bringt die Rettung.
Dieses Bekenntnis hatte sich auch unser neuer Seliger, Max Josef Metzger, zu eigen gemacht. Er mag in seinem menschlichen Verhalten den schon genannten Versuchungen da und dort erlegen sein, gerade was die Forderungen an andere anging, und seine eigene Risikobereitschaft, es von sich wirklich wissen zu wollen. Kompromisse und das Eingehen auf andere waren nicht unbedingt seine Stärke. Forsch, radikal und herausfordernd konnte er sein und sich durchaus in den Vordergrund stellen. Doch reifte im Laufe seines Lebens in ihm der Gedanke und das Bekenntnis, sich ganz in der Beziehung zu Christus verankert zu wissen. „Christus muss König sein!“ wurde so zu seinem zentralen Lebensinhalt. Auf dieser Basis sah er die einzige, wahrhaftige Möglichkeit, den Frieden in der Welt zu erreichen. Die Beziehung zu Christus, der Glaube an diesen König, an diesen Friedensfürsten schafft die Grundvoraussetzung für das Zusammenleben der Völker, schafft Gerechtigkeit und Ausgleich, schafft Frieden. Getragen von diesem Bekenntnis des Römerbriefes, das Max Josef Metzger ganz verinnerlicht hatte, konnte er mit froh leuchtenden Augen in den Tod gehen, wie ein Zeitzeuge berichtet.
Doch wie werden wir diesen Frieden erreichen können, nachdem wir uns ja der Realität stellen müssen, dass nicht alle Völker und Kulturen Christus als den alleinigen Friedensbringer anerkennen? Dieses Bekenntnis – „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen“ – ist längst für viele Menschen nicht die alleinige Grundlage für ein Leben in Glück, in Frieden und Zufriedenheit. Da mag ein Blick in die Kriegs- und Krisenregionen dieser Erde schon genügen mit deren Vielfalt von Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen. Nicht weniger bei uns in unserem Land, in dem wir, die wir an Christus glauben, immer mehr zu einer Minderheit werden. Wie kann es dennoch gelingen, ohne unser Bekenntnis aufzugeben, einen Weg zu diesem gemeinsamen Frieden zu finden?
In ihrem Wort „Friede diesem Haus“ vom vergangenen Februar 2024 haben die deutschen Bischöfe versucht, eine Antwort darauf zu geben. Wir heben unter anderem hervor, dass Weltfrieden ohne Religionsfrieden nicht vorstellbar ist. „Da die Welt aber Frieden braucht, um die gewaltigen Probleme bewältigen zu können, die vor ihr stehen, braucht sie dringend auch Frieden zwischen den Religionen. Der Hauptbeitrag, den die Religionen, religiöse Gemeinschaften und religiöse Menschen für den Weltfrieden leisten können, besteht darin, ihre eigene Friedfertigkeit wachsen zu lassen und zu pflegen, um gemeinsam der Dynamik der Gewalt zu widerstehen, die sich immer tiefer in unsere Welt hineinfrisst und sie zu zerstören droht.“ (Nr. 69)
Zu diesem Konflikt- und Gewaltpotential gehören die Klima- und Wasserfragen, die Nutzung verschiedener anderer Ressourcen und Rohstoffe, die einhergehende Problematik der Welternährung und die Migration aus unterschiedlichsten Beweggründen. Denken wir an den Welthandel insgesamt mit seiner stetigen Gewinnmaximierung sowie an die religiösen und kulturellen Unterschiede. Bei all dem muss es den Religionsgemeinschaften ein Anliegen sein, gemeinsam für die umfassende Würde eines jeden Menschen einzutreten, sich gemeinsam der ethischen Verantwortung bewusst zu sein, die in der von Gott gewollten Schöpfung begründet liegt. Hier zeigt sich u. a. die Bedeutung des interreligiösen Dialogs. Und dieses Zeugnis beginnt ganz praktisch in unseren gelebten Beziehungen. Das wird Beziehungskrisen und Streitereien nicht verhindern. Das löst nicht alle Konflikte und Gegensätzlichkeiten. Zum menschlichen Miteinander gehört der Lernprozess, mit Spannungen und unterschiedlichen Meinungen umzugehen. Aber der Respekt und die Achtung der Würde des anderen wird es nie erlauben, seine Würde in den Schmutz zu ziehen, sie gar zu zerstören, geschweige denn sein Leben zu vernichten. Dort, wo auch eine Versöhnung nicht oder noch nicht erreicht werden kann, mag es helfen, den Abstand so zu wahren, der es Kontrahenten ermöglicht, eigene Wege zu gehen, ohne sich ständig aneinander abarbeiten zu müssen. Auch dies kann der Anfang zu einem Frieden sein, der von Gott ausgeht und der in der Beziehung zu Gott gründet. Die Friedensherrschaft Gottes beginnt immer zunächst bei mir, indem ich mich mit Christus im Herzen dagegenstemme, den genannten Versuchungen zu erliegen. Wo ich bereits erlegen bin, will der Empfang des Bußsakramentes Umkehr und Neuanfang ermöglichen. Nicht zuletzt gehören zu diesem Friedensweg das Gebet und die gelebte Solidarität mit den Benachteiligten unabdingbar dazu. Bei allem Ringen um den rechten Weg zum Frieden, für uns bleibt als Grundlage aller Friedensarbeit die Zusage des Apostels Paulus: „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen.“
So segne Sie der dreifaltige Gott, + der Vater und der Sohn und der Heilige Geist!