Wirtschaft in Vorarlberg weiter vor großen Herausforderungen
(Bregenz) Vorarlbergs Wirtschaft hat ein erfolgreiches Jahr 2022 hinter sich. Trotz krisenhafter internationaler Entwicklungen – Ukrainekrieg, Lieferengpässe und Inflation – wurde ein Wirtschaftswachstum von 5,2 Prozent erzielt.
Die steigenden Zinsen haben den Aufschwung der Weltwirtschaft gedämpft. Aufgrund einer verhaltenen Prognose der Industrie- und Baukonjunktur wird heuer für Vorarlberg ein leichter Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent vorhergesagt. Zuletzt sind auch die Arbeitslosenzahlen wieder leicht angestiegen. Den großen Herausforderungen muss mit Entschlossenheit begegnet werden, betonten Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink, Wirtschaftslandesrat Marco Tittler und Wirtschaftskammerpräsident Wilfried Hopfner bei der heutigen (Dienstag) Präsentation des Vorarlberger Wirtschaftsberichts 2022/2023 im Pressefoyer.
Um die Wettbewerbsfähigkeit und Krisenresistenz des Wirtschaftsstandortes Vorarlberg zu erhalten und zu festigen, gelte es, die Initiativen zur Ankurbelung von Innovation, zur Digitalisierung und Ökologisierung sowie zur Stärkung regionaler Kreisläufe mit vereinten Kräften voranzutreiben, waren sich Schöbi-Fink, Tittler und Hopfner einig. „Neben der Fachkräftesicherung ist die Innovationskraft ein ganz entscheidender Faktor für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Ein Ziel ist es daher, die Forschungsquote zu erhöhen“, sagte Schöbi-Fink in Bregenz.
Auch Landesrat Tittler unterstrich die starke Position Vorarlbergs als hoch entwickelte Industrieregion mit starker internationaler Verflechtung. „Voraussetzung dafür, um die immer komplexer werdenden Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen zu erfüllen, ist die Innovationskraft der heimischen Unternehmen. Sie ist ein wesentlicher Faktor für langfristige Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“. Um die Rahmenbedingungen für die Vorarlberger Wirtschaft weiter zu verbessern, formuliert LR Tittler zwei konkrete Forderungen an die Bundesregierung: „Wir brauchen eine sofortige Verbesserung der KIM-Verordnung! Wer sich selbst Wohnraum schafft oder diesen sanieren möchte, darf nicht durch diese Verordnung gebremst werden. Ebenso muss der Energiekostenzuschuss II endlich kommen! Hier wartet die Wirtschaft schon zu lange, es braucht hier endlich Rechts- und Planungssicherheit!“, so der Wirtschaftslandesrat.
Land und Interessensvertretung seien gefordert stetig an Verbesserungen für die heimischen Unternehmen zu arbeiten, um deren Rahmenbedingungen bestmöglich an die aktuellen Herausforderungen anzupassen, führte der Wirtschaftskammerpräsident aus: „Ein erster Schritt wäre hier, wie von der Bauwirtschaft sowie der Sparte Gewerbe und Handwerk gefordert, die Aufhebung der sogenannten 'KIM-Verordnung', die den Banken restriktive Hürden für die Kreditvergabe auferlegt und somit Baufinanzierungen verhindert.“
2022 war von Wachstum geprägt
Sowohl Tourismus als auch der Bau haben im Vorjahr von günstigen Rahmenbedingungen profitiert und ein kräftiges Wachstum erzielt. Bei der Sachgüterproduktion konnte Vorarlberg mit einem Wachstum von 6,0 Prozent nicht ganz an das Ergebnis aus dem Jahr davor (+13,1 Prozent) anschließen. Die Industrieproduktion stieg 2022 um 10,5 Prozent, blieb damit aber hinter den Erwartungen (österreichweit: +25,1 Prozent). Der Einzelhandel verzeichnete ein nominelles Wachstum um 5,9 Prozent, aufgrund der Inflation aber ein reales Ergebnis von -3,0 Prozent.
Die Zahl der unselbständig Beschäftigten in Vorarlberg hat gegenüber dem Jahr 2021 um 2,7 Prozent zugenommen. Dieser Trend setzte sich auch in den ersten Monaten dieses Jahres fort. Die Vorarlberger Arbeitslosenquote im Jahr 2022 betrug 5,0 Prozent (2021: 6,5 Prozent) und lag damit klar unter dem Österreich-Durchschnitt.
Außenhandel erneut mit guten Ergebnissen
Den Pandemie-Jahren und vielfältigen Krisen zum Trotz setzt der Vorarlberger Außenhandel seine Erfolgsgeschichte fort. Im ersten Halbjahr 2022 wurden die im Vergleichszeitraum des Jahres davor erzielten Höchststände bei Ein- und Ausfuhren erneut getoppt. Die Exporteure konnten ihr letztjähriges Resultat um +761 Millionen Euro auf 6,9 Milliarden Euro erhöhen, auf der anderen Seite wurden Güter und Waren im Wert von 5,4 Milliarden Euro importiert, um +964 Millionen Euro mehr als im Jahr davor. Daraus ergibt sich ein Handelsbilanzüberschuss von +1,5 Milliarden Euro.
Gut 60 Prozent der Exporte und der Importe werden mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU-27) abgewickelt.
Gewerbe und Handwerk, Bauwirtschaft
Das Gewerbe und Handwerk in Vorarlberg verzeichnete im Frühjahr 2023 ein Wachstum um 14,9 Prozent, zugleich zeigten die ersten Monate des Jahres eine deutliche Eintrübung der Geschäftslage. Auch für die Vorarlberger Bauwirtschaft ist nach einer höchst positiven Phase eine Eintrübung zu erwarten. Im ersten Quartal 2023 ist der Produktionswert nochmals um 20,6 Prozent gestiegen. Allerdings wies der Auftragsbestand bei den österreichischen Bauunternehmen (ohne Baunebengewerbe) zu Ende März 2023 einen Rückgang um 7,6 Prozent auf.
Tourismus
Die Vorarlberger Beherbergungsbetriebe meldeten in der Sommersaison 2022 rund 1,3 Millionen Besucher. Diese buchten rund 4,3 Millionen Übernachtungen. Im Vergleich zum Vorkrisensommer 2019 gab es um 2,1 Prozent mehr Ankünfte und um 2,7 Prozent mehr Nächtigungen. Im Winter ist das Vorkrisenniveau noch nicht ganz erreicht. In der Saison 2022/2023 besuchten gut 1,21 Millionen Gäste Vorarlberg und buchten 4,8 Millionen Übernachtungen gemeldet. Das sind deutliche Steigerungen gegenüber dem letzten Winter, aber noch um 1,7 Prozent weniger Ankünfte und um 4,4 Prozent weniger Nächtigungen als vor Corona.
Hohe Inflation, nur verhaltene Preisentspannung
Die Inflationsrate lag für das Jahr 2022 bei 8,6 Prozent (2021: 2,8 Prozent). Eine höhere Teuerung gab es zuletzt im Gefolge der Ölpreiskrise von 1974 (9,5 Prozent). Der Anstieg der Baupreise setzt sich im Jahr 2023 fort. Sie legten im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 8,9 Prozent zu (Hochbau +13,9 Prozent, Tiefbau +1,2 Prozent.
Unternehmen zurückhaltend gestimmt
Laut der aktuellen Wirtschaftsbarometer-Umfrage der Wirtschaftskammer Österreich sind die Unternehmen in Vorarlberg hinsichtlich des Wirtschaftsklimas für das Jahr 2023 deutlich zurückhaltend eingestellt. 54 Prozent der Befragten erwarten eine sich verschlechternde wirtschaftliche Situation für ihre Unternehmen. Als Herausforderungen empfinden sie vor allem Arbeits- und Lohnkosten, Energie- und Rohstoffpreise, der Arbeits- und Fachkräftemangel sowie Inflation und Kapitalkosten. Aufgrund der Unsicherheit zögern fast 85 Prozent der Befragten, Investitionen im Jahr 2023 zu tätigen oder planen höchstens gleichbleibende Investitionen.