Kostensteigerungen bremsen Konjuktur
Die IHK Südlicher Oberrhein hat erneut knapp 1.000 Unternehmen um Auskunft über ihre derzeitige Geschäftslage und ihre Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung gebeten. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zum Frühsommer 2022 präsentierte IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon im Rahmen einer digitalen Pressekonferenz.
„Als wir uns zur letzten Konjunktur-Pressekonferenz Anfang Februar getroffen haben, war der Krieg in der Ukraine noch nicht in Sicht“, blickt Salomon zunächst zurück. „Doch Putins Angriff hat das Stimmungsbild der hiesigen Wirtschaft deutlich verändert, das wird in unserer Umfrage deutlich.“ Für den IHK-Hauptgeschäftsführer überraschend bei den Ergebnissen: „Es ist nicht die fehlende Nachfrage, die zur großen Unsicherheit führt. Die ist da; die Auftragsbücher sind voll.“ Vielmehr seien die bremsenden Faktoren auf der Angebotsseite zu finden. Salomon: „Die Lieferengpässe, Kostensteigerungen bei Vorprodukten und Rohstoffen sowie der Fachkräftemangel sind die Nöte der Unternehmerinnen und Unternehmer.“ Hinzu kommen neue Verunsicherungen: Wie geht es in den kommenden Monaten weiter? Kommt ein Energieembargo? Starke negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind trotz dieser Unsicherheiten allerdings noch nicht zu beobachten. Der Index der erwarteten Beschäftigung fällt von elf auf drei Punkte ab. „Mit 68 Prozent wollen die meisten Unternehmen ihre Beschäftigtenzahl in den kommenden zwölf Monaten stabil halten“, weiß der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Wenig Sorgen bereitet den Befragten die aktuelle Geschäftslage: 88 Prozent der Unternehmen bezeichnen sie weiterhin als gut oder befriedigend. Der Index der Geschäftslage erhält so im Vergleich zum Jahresbeginn nur einen kleinen Dämpfer von drei Punkten und findet sich aktuell bei 30 Punkten wieder. „Im Gegensatz dazu sind die Geschäftserwartungen richtiggehend abgestürzt“, beschreibt Dieter Salomon weiter. „Zum Jahresanfang war der Index noch gestiegen, jetzt fällt er von 21 auf minus zwölf Punkte.“ Einen ähnlich starken Abfall der Geschäftserwartungen habe es in den vergangen zehn Jahren lediglich zu Beginn der Covid 19-Pandemie im Jahr 2020 gegeben. Entsprechend geht der IHK-Konjunkturklimaindex, der aus den Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen kombiniert wird, ebenfalls nach unten. „Im Vergleich zum Jahresbeginn büßt er vor allem in Folge dieser verschlechterten Erwartungen 20 Punkte ein, bleibt aber mit 107 Punkten im positiven Bereich.“ – Ein Wert unter 100 würde auf eine Rezession hindeuten.
Mit den wachsenden Verunsicherungen verändert sich ebenfalls das Investitionsklima; der Index sinkt von 21 auf elf Punkte und steht damit in etwa wieder auf dem Niveau des vergangenen Herbstes. „Anfang des Jahres war da noch die Hoffnung auf Besserung da“, interpretiert Salomon den Abschwung. Aktuell planen 29 Prozent der Befragten, ihre Investitionstätigkeit auszuweiten, 18 Prozent möchten sie zurückfahren.
Beim Blick in die Branchen gibt es eine deutliche Veränderung im Hotel- und Gastgewerbe. Der Index gewinnt mit 39 Punkten stark hinzu, bleibt allerdings mit jetzt minus elf Punkten noch immer im negativen Bereich. „Die Situation hat sich für die Branche verbessert. Anfang des Jahres, als die Betriebe öffnen durften, aber niemand kam, war das noch ein Verhungern am langen Arm“, deutet Salomon. Trotz der enormen Veränderung bleibt die Branche die einzige, die die aktuelle Geschäftslage überwiegend negativ beurteilt. Auch bei der Frage nach der Finanzlage bilden Hotel und Gastro das Schlusslicht: Gerade einmal 40 Prozent der Branche bezeichnen diese für sich selbst als unproblematisch, während die Werte bei allen anderen zwischen 60 und 75 Prozent liegen.
In der Bauwirtschaft erkennt der IHK-Hauptgeschäftsführer „desaströse Erwartungen“ – der Index stürzt von minus 21 auf minus 50 Punkte ab. 56 Prozent der Bauunternehmen rechnen mit einer Verschlechterung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten, nur sechs Prozent sind optimistisch. Salomon sieht viele Problemfelder als Gründe für diese Entwicklung: „Materialien sind teilweise gar nicht lieferbar, Fachkräfte wandern in andere Branchen ab, die Erhöhung des Mindestlohns, auslaufende Förderungen oder die sich abzeichnenden Zinserhöhungen sind da nur einige Themen, die die Branche betreffen.“
Wenig überraschend werden bei den Risiken der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung über alle Branchen hinweg die Energie- und Rohstoffpreise am häufigsten genannt. Mehr noch: „Mit 80 Prozent wurde dieser Risikofaktor so häufig angeführt wie kein anderer jemals zuvor“, stellt der IHK-Hauptgeschäftsführer fest. Der Fachkräftemangel bleibt mit 62 Prozent trotz eines leichten Absinkens an zweiter Stelle auf der Skala der Risiken.
Einsicht in sein Unternehmen gab abschließend Andreas Schneider, Geschäftsführer von Schwarzwaldmilch. „Ich könnte tagelang berichten, die Veränderungen sind überall“, leitet er seinen Bericht ein. Doch steht für ihn fest: „Diese Rahmenbedingungen müssen wir annehmen.“ Als genossenschaftlich geführtes Unternehmen läuft bei der Schwarzwaldmilch einiges anders, erläutert Schneider. „Unsere Landwirte bekommen monatlich Milchgeld, einige leben von diesen Einnahmen.“ Die derzeitige Kostenexplosion erlebe er gleich doppelt: einerseits auf den Höfen seiner rund 1000 Milchzulieferern, andererseits intern im verarbeitenden Bereich. „Wir müssen beide Welten managen.“
Schwarzwaldmilch spürt den Preisanstieg nicht nur beim Kraftstoff für die Lastwagen, die 365 Tage im Jahr die Milch bei den Bauern abholen. Schneider: „Die Preise für das Futter haben sich ebenfalls erhöht. Bei Dünger, der aus Erdgas hergestellt wird, liegt der Anstieg bei 100 Prozent – oder er ist eben gar nicht mehr verfügbar.“ Dieses Fehlen hätte wiederum Auswirkungen auf die Ernte, das wiederum auf das Futter für die Kühe und damit auf die Milch. Teurer geworden seien auch die Verpackungsmaterialien, vom Becher über das Glas bis zum Drehverschluss. „Wir erleben einen Anstieg um bis zu 200 Prozent.“
Optimierungsmöglichkeiten, um die Kostensteigerung aufzufangen, gebe es wenig. „Da sind wir schon seit einigen Jahren sehr gut aufgestellt“, sagt Schneider. Letztendlich seien die Mehrkosten nur mit höheren Preisen aufzufangen, wobei dies nicht komplett gelinge. „Wir befinden uns in einem sehr schwierigen Markt. Bei manchen Preisen ist es nicht leicht, sie dem Endverbraucher zu vermitteln.“ Als Genossenschaft könne Schwarzwaldmilch eben nicht wie ein Privatunternehmen agieren. Und dass Molkereien systemrelevant seien, helfe im Fall der Fälle wenig: „Was sollen wir tun, wenn wir am Netz bleiben, aber keine Verpackungen haben – die Milch mit bloßen Händen zu den Kunden bringen?“
Sowohl Andreas Schneider als auch Dieter Salomon rechnen nicht damit, dass das jetzige Preisniveau wieder erheblich sinken wird. „Ein wenig, aber es wird nicht mehr wie vorher“, schätzt Schneider. Er schaut dennoch ohne zu hadern in die Zukunft: „Jede Situation muss unternehmerisch bewältigt werden. Aber es setzt oft eben enorme Kräfte voraus. Am Ende des Tages ist es eine Herausforderung, die zu meistern ist.“