Noch immer Nachteile für Baden
(Karlsruhe) Nach wie vor werden die Landesteile Baden-Württembergs ungleich behandelt. Dies beklagt die Landesvereinigung Baden in Europa e.V. auch im Jahr 2019. Der Vorsitzende der Landesvereinigung, Prof. Robert Mürb, erläuterte am Mittwoch, 21. August, vor den Medien Untersuchungen von Mitarbeitern der Landesvereinigung, die mit sehr viel Akribie und Beharrungsvermögen unter anderem den Haushalt des Landes Baden-Württemberg sowie Internetauftritte der jeweils zuständigen Ministerien durchforstet haben.
Dennoch sieht die Landesvereinigung auch Fortschritte in den Beziehungen zwischen den Landesteilen. Dies haben die Landesvereinigung und ihr Vorsitzender in einem Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Ausdruck gebracht, den Mürb den Vertretern der Medien vorgelegt hat.
So lobt die Landesvereinigung etwa die Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg, die der Landtag im Jahr 2015 beschlossen hat und mit der der Staat „gleichwertige Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen im gesamten Land“ fördere. Leider sei dies noch nicht in allen Bereichen erreicht. Die Zielsetzung umzusetzen, so Mürb weiter, sei das Anliegen der Landesvereinigung seit ihrer Gründung im Jahre 1992.
Als eines der Beispiele für die positive Entwicklung nennt Mürb die mittlerweile ausgeglichene Finanzierung der Universitäten und Hochschulen in den Landesteilen. Er bekräftigt die Forderung nach vollkommener Autonomie der Hochschulen. Mürb, selbst emeritierter Universitätsprofessor in Darmstadt, verweist auf das hessische Beispiel, wo die Universitäten vollkommene Autonomie besäßen. Er bedankt sich bei Kretschmann für dessen Einsatz um die Batteriezellenforschung am KIT und in Ulm, bedauert aber, dass sich das Land beim Bund offenbar doch nicht genügend dafür eingesetzt hat. Denn die Entscheidung ist contra Baden-Württemberg und pro Nordrhein-Westfalen gefallen. Und Mürb und die Landesvereinigung fordern vehement mehr Engagement für die Sicherheitsforschung KASTEL.
Auch die Förderung der Kultur durch das Land sei in den letzten Jahren ausgeglichener geworden. Doch es gebe einen Betrag von immerhin 27 Euro pro Jahr und Einwohner, deren Zuordnung vom Finanzministerium nicht erklärt werde. Mürb vermutet, dass hier der württembergische Landesteil wieder bevorzugt werde. Fortschritte sieht Mürb bei der Förderung von Kulturbauten. Seien seit 2001 immerhin 223,6 Millionen Euro in Bauten in Württemberg und nur 77,5 Millionen nach Baden geflossen, so habe Kretschmann diesen Nachholbedarf selbst schon festgestellt und den Um- und Ausbau des Badischen Staatstheaters zur Chefsache erklärt. Allerdings sei dies relativ, denn für das Staatstheater Stuttgart werden erheblich größere Geldsummen fließen. Zur Kunsthalle schreibt Mürb: „Für die Sanierung der Kunsthalle haben Sie ebenfalls durch Ihren Besuch Interesse gezeigt, und wir gehen davon aus, dass nach vielen Jahren auch dieses Projekt neuen Impuls bekommt. Wie eine Veranstaltung in der Kunsthalle im Frühjahr 2019 gezeigt hat, ist die Geduld der Karlsruher Bevölkerung am Ende. Voraussetzung für die Erweiterung der Kunsthalle im Gebäude des heutigen Amtsgerichtes ist ein neues Gerichtsgebäude, in dem unter anderem das Amtsgericht untergebracht werden soll. Seit Jahren wird, wie wir hören, von den Landesbehörden mit „angezogener Bremse“ gefahren. Auch hier wäre Ihr Machtwort nötig.“
Defizite sieht Mürb neben anderen in der Schulbauförderung, wo er – gemessen an der Einwohnerzahl – einen Minderbetrag von 60 Millionen Euro feststellt. Etwa gleich hoch sei auch der Minderbetrag in Sachen Städtebauförderung. Ursache sei „die Diskrepanz der Zuteilung der Fördermittel durch die Regierungspräsidien an die Gemeinden in den grenzübergreifenden Landkreisen, in denen die württembergischen Gemeinden bevorzugt werden. Ob dies durch eventuellen Einfluss des Ministeriums erfolgt, ist uns nicht bekannt. In den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen ist eine kleinere Bevorzugung badischer Gemeinden ersichtlich.“
Beim Krankenhausbauprogramm stellt Mürb fest, dass 2019 mehr Mittel nach Baden als nach Württemberg flössen. Allerdings ergebe sich für den Zeitraum von 2012 bis 2018 ein Minderbetrag von 322 Millionen Euro.
Thema war einmal mehr auch die Stuttgarter Wilhelma. Dass sie landesfinanziert werde, wird neuerdings mit Artenschutzprogrammen begründet. Mürb nennt als Gegenargument das Beispiel der Artenschutzstiftung im Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe. Neun von zehn Eintrittskarten werden mit einem Euro mehr bezahlt. Diese Gelder fließen in diese Stiftung, die damit Projekt in Ecuador, Kenia, auf Borneo und lokal in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Schwarzwald finanziert.
„Lieber Herr Ministerpräsident“, beendet Mürb sein Schreiben an Winfried Kretschmann,“ dies ist nur eine Auswahl an Punkten, die wir gerne mit Ihnen diskutieren wollen. Nicht nur in Kreisen der Landesvereinigung Baden in Europa, sondern in weiten Kreisen der Gesellschaft werden wir immer wieder angesprochen. Auch Medien fragen, wie es mit den Kontakten zwischen Landesvereinigung und Landesregierung steht?“
Darum lädt Mürb Kretschmann ein, am Rande eines seiner „erfreulicherweise recht häufigen“ Besuche in Karlsruhe auch einmal wieder Zeit zu einem Gespräch mit der Landesvereinigung Baden in Europa zu finden.
Abschließend wünschen Mürb und die Landesvereinigung Kretschmann „gute persönliche Entscheidung für das Land“.