Stadt erwartet leere Kassen
(Freiburg) Vom 12. bis 14. Mai fand die bundesweite Steuerschätzung des Arbeitskreises Steuerschätzung statt. Über die ersten Ergebnisse und Entwicklungen auf Bundesebene wurde letzte Woche der Haupt- und Finanzausschuss am 18. Mai informiert. Nun zeichnen sich deutliche Reduzierungen bei den Gemeindeanteilen an der Einkommensteuer und dem kommunalen Finanzausgleich in zweistelliger Millionenhöhe ab.
Das Land Baden-Württemberg hat Orientierungsdaten zu dieser Steuerschätzung erstellt. Für Freiburg könnten diese Berechnungen die prognostizierten Veränderungen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer Mindereinnahmen von insgesamt rund 20 Millionen Euro im Vergleich zu den Haushaltsplanansätzen 2020 von rund 135 Millionen Euro (Einkommensteuer) und 28 Millionen Euro (Umsatzsteuer) bedeuten, welche auf Basis der Steuerschätzung im Oktober 2018 ermittelt wurden. Bei der letzten Steuerschätzung im Oktober 2019 wurden bei den Gemeindeanteilen an der Einkommensteuer bereits für 2020 Einnahmerückgänge von rund 8 Millionen Euro aufgrund der konjunkturellen Lage prognostiziert.
In einer zweiten für die Stadt Freiburg wichtigen Einnahmeposition, den Schlüsselzuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich, drohen ebenfalls Einnahmeausfälle im zweistelligen Millionenbereich. Erste Prognosen der Stadtverwaltung, die mit einigen Unsicherheiten behaftet sind, gehen von weiteren Einnahmereduzierungen von rund 20 Millionen Euro aus. Bei dieser Haushaltsposition wurden bislang mit Einnahmen im Jahr 2020 von rund 269 Mio. Euro (brutto) und 158 Mio. Euro (netto, abzüglich der FAG-Umlage von 111 Mio. Euro) gerechnet.
Damit können sich bei den Einnahmen im Finanzausgleich und bei den kommunalen Steueranteilen weitere Belastungen von rund 40 Millionen Euro ergeben. Für konkrete Berechnungen der Einnahmeausfälle bei den Schlüsselzuweisungen braucht die Stadtkämmerei noch die Festlegungen im Haushaltserlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg, welcher in den nächsten Tagen erwartet wird.
Der Haupt- und Finanzausschuss wurde in der Sitzung am 18. Mai über die möglichen finanziellen Auswirkungen der Corona Pandemie auf das Haushaltsjahr 2020 informiert. Die Stadtverwaltung und die städtischen Gesellschaften hatten mit Stand 30. April voraussichtliche Nettobelastungen von rund 34,6 Millionen Euro prognostiziert. Diese verteilen sich mit rund 16,2 Millionen Euro auf den Kernhaushalt der Stadt und mit rund 18,4 Millionen Euro auf die städtischen Eigenbetriebe und Gesellschaften.
In der gestrigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss informierte die Stadtspitze umgehend den Gemeinderat in nicht-öffentlicher Sitzung, dass diese Zahlen fortgeschrieben werden. Die aktuelle Belastung liegt derzeit bei etwa 37 Millionen Euro, so dass sich mit den Einnahmeausfällen der Einkommensteuer und des Finanzausgleichs insgesamt mögliche Belastungen in einer Größenordnung von aktuell bis zu 77 Millionen Euro ergeben können.
Bundesfinanzminister Scholz hat in der Pressekonferenz zur Steuerschätzung einen „Kommunalen Solidarpakt 2020“ vorgeschlagen, der neben der Übernahme kommunaler Liquiditätskredite auch die Gewerbesteuerausfälle der Kommunen kompensieren soll. Auch das Land arbeitet an weiteren Programmen. Der Deutsche Städtetag und der Städtetag Baden-Württemberg haben deutlich gemacht, dass die Städte und Gemeinden dringend auf Unterstützung angewiesen sind. Diese angekündigten Soforthilfeprogramme und Rettungsschirme für Kommunen sind jetzt zu konkretisieren, damit den Kommunen rasch geholfen werden kann.
Oberbürgermeister Martin Horn: „Für die zukünftige Entwicklung unserer Stadt ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir auch weiterhin die politischen Schwerpunktbereiche Wohnen, ÖPNV, Digitalisierung, Bildung und Kindertagesstätten aktiv gestalten können. Es ist daher zwingend erforderlich und eine klare Erwartung der Stadt Freiburg, dass der Bund und das Land BadenWürttemberg die Kommunen mit den angekündigten Rettungsschirmen und Programmen finanziell unterstützen, um so die aufgezeigten Belastungen abzufedern.“
Das Land Baden-Württemberg hat bereits Soforthilfeprogramme für Kommunen aufgelegt, aus dem die Stadt Freiburg etwa 5,2 Millionen Euro als Abschlagszahlungen im Zuge der Corona-Krise für die Monate März bis Mai erhalten hat. Diese Mittel sind zweckgebunden insbesondere zur Finanzierung von Erstattungen von Elternbeiträgen und Gebühren für geschlossene Kindertagesstätten, Kindergärten, Horte und andere Betreuungseinrichtungen und um die fehlenden Einnahmen an den Volkhochschulen und Musikschulen teilweise auszugleichen.
Darüber hinaus sind weitere Rettungsschirme angekündigt. Hierzu zählt zum Beispiel der Rettungsschirm für den ÖPNV, für den das Land 200 Millionen Euro bereitstellen wird, um die gravierenden Einnahmeausfälle aufgrund des drastischen Rückgangs der Fahrgäste und somit des Wegfalls der Ticketeinnahmen sowie der Kündigungen von Abonnements zu kompensieren.
Auf Basis der nun vorliegenden Mai-Steuerschätzung haben das Land und die Kommunalen Landesverbände in der Gemeinsamen Finanzkommission Gespräche über die konkreten finanziellen Auswirkungen der Pandemie und die weitere finanzielle Beteiligung des Landes an den Coronabedingten Belastungen der Kommunen aufgenommen. Die Ergebnisse können unter anderem auch in den Haushaltserlass des Landes mit den Festlegungen zur Höhe der Schlüsselzuweisungen führen.
Finanzbürgermeister Stefan Breiter: „Negative Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung für die Kommunen waren leider zu erwarten. Die jetzt geschätzten Dimensionen zeigen, dass die Kommunen vor großen Herausforderungen stehen. Bei wegbrechenden Einnahmen muss die dauerhafte Finanzierbarkeit der Aufgaben im Blick behalten werden, gleichzeitig gilt es aber auch mit kommunalen Investitionen einen wichtigen konjunkturellen Beitrag zu leisten. Dies erfordert ein klare Prioritätensetzungen in den Städten, aber auch die finanzielle Unterstützung von Bund und Land mit Konjunkturpaketen in den Folgejahren.“
OB Horn und BM Breiter haben alle Amtsleitungen und Geschäftsführungen beauftragt, innerhalb der Verwaltung und der Gesellschaften Möglichkeiten zu benennen, um Belastungen aufzufangen, wie diese beispielsweise mit dem Einsatz von Kurzarbeit bereits realisiert wurde.
Die Stadtkämmerei und die städtischen Ämter bereiten derzeit den 1. Finanzbericht vor, der im Juli im Gemeinderat behandelt wird und einen Gesamtüberblick zur Entwicklung des Haushalts 2020 mit allen Prognosen zum Jahresende ermöglichen soll. Auf dieser Grundlage sind dann weitere Entscheidungen zu treffen und der Entwurf des kommenden Doppelhaushalts 2021/2022 vorzubereiten.
Die Mai-Steuerschätzung basiert – so hat es Bundesfinanzminister Scholz in der Pressekonferenz deutlich beschrieben - auf einer dynamischen Situation mit vielen Unsicherheiten. Vor diesem Hintergrund ist eine weitere außerplanmäßige Steuerschätzung eingeplant, die voraussichtlich vom 8. bis 10. September 2020 stattfinden wird. Diese Steuerschätzung ist wichtig, um den Haushalt 2020 nachjustieren und die Aufstellung des Doppelhaushaltes 2021/2022 planen zu können. Im November 2020 wird dann eine weitere Steuerschätzung folgen, deren Ergebnisse erst in die Haushaltsplanberatungen zum Doppelhaushalt 2021/2022 einfließen können.
OB Horn: „Wir benötigen dringend Unterstützung für die kommunale Ebene. Eine Vollbremsung aller städtischen Investitionen wäre für die Menschen unserer Region ein herber Rückschlag und für die lokale Wirtschaft katastrophal.“