Regionale Industrie erholt sich wieder
(Staufen) Die mittelständische Industrie im Südwesten hat sich im zweiten Jahr der Corona-Pandemie gut vom Einbruch im vergangenen Jahr ...
Die mittelständische Industrie im Südwesten hat sich im zweiten Jahr der Corona-Pandemie gut vom Einbruch im vergangenen Jahr erholt. Die Auftragsbücher sind fast überall gut gefüllt – allerdings bremsen Lieferengpässe bei Rohmaterialien und Vorprodukten den Aufschwung. „Wir fahren bergauf, leider mit angezogener Bremse“, beschreibt wvib-Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer in Staufen bei der Firma OWIS GmbH das Ergebnis der Sommer-Konjunkturumfrage der wvib Schwarzwald AG unter ihren über 1.000 Mitgliedern.
Die Mitgliedsunternehmen der wvib Schwarzwald AG vermelden für das erste Halbjahr 2021 einen deutlichen Umsatzzuwachs von durchschnittlich 15,2 % (1. HJ 2020: - 12 %). Die Konjunktur in der Schwarzwald AG zieht nach dem säkularen Krisenjahr wieder massiv an und liegt in vielen Bereichen über dem Vorkrisenniveau: „Der kalte Schweiß der Coronakrise ist überraschend dem heißen Schweiß der Jagd nach Komponenten und Vorprodukten von Elektronikbauteilen über Granulate bis Stahl und Holz gewichen.“
Die vor allem durch den Aufschwung in den USA und China bedingte gute Auslandskonjunktur trägt zur positiven Bilanz bei. „Das Ausland sorgt für Schub: Wir exportieren uns praktisch aus der Rezession heraus“, so Münzer.
Überraschend: Im Automotive-Zuliefererbereich hat der Umsatz besonders stark angezogen. Überraschend gerade für uns Deutsche: Der Weltmarkt will wieder SUVs mit Dieselantrieb. Und Deutschland wird 2021 zum größten Hersteller von E-Fahrzeugen weltweit. Totgesagte leben länger.
Die meisten Unternehmen sind derzeit von komplett anderen Sorgen geplagt als noch vor einem Jahr. Die gute Botschaft: Die Industrie hat Corona besser verkraftet als zuvor gedacht – mit Hygienekonzept, Homeoffice und Kurzarbeit – und hat viel weniger staatliche Hilfen gebraucht als angenommen. Münzer warnt davor, Lieferengpässe nur als kleines Hindernis in der Aufholjagd zu begreifen. „Nachschubprobleme sind Wohlfahrtsverluste. Wenn die Produktion steht, gibt es nur Kosten ohne Umsatz. Das ist kein kleiner Wermutstropfen, sondern ein ausgewachsenes Problem.“
Der Umsatz ist im ersten Halbjahr 2021 bei nur noch 27 % der befragten Unternehmen gesunken – im 1. Halbjahr 2020 waren es noch 80 %. 71 % der Unternehmen meldeten gestiegene Umsätze – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (19 %) ein deutlich höherer Anteil.
Branchenübergreifend ist beim Auftragseingang ein Plus von 28,7 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu verzeichnen. Bei 74 % der Unternehmen verbessert sich der Auftragseingang gegenüber dem Vorjahreszeitraum, eine unveränderte Auftragslage geben 14 % der Befragten an, 12 % der Unternehmen verzeichnen eine schlechtere Auftragslage.
Beim Blick in die Zukunft sind die Unternehmen der Schwarzwald AG optimistisch. 44 % erwarten für das zweite Halbjahr 2021 steigende Umsätze (1. HJ 2020: 24 %). Nur knapp 8 % der Unternehmen rechnen für den Rest des Jahres mit sinkenden Umsätzen, im ersten Halbjahr 2020 gingen 35 % der Befragten davon aus. Der optimistische Blick in die Zukunft betrifft auch die Erwartung an den Auftragseingang in den kommenden sechs Monaten: Steigende Auftragseingänge erwarten 27 % (2020: 29 %), während 15 % mit einem Rückgang rechnen (2020: 31 %).
Der wirtschaftliche Aufschwung spiegelt sich auch in der Ertragslage der Unternehmen wider. Lediglich 12 % der Befragten verzeichnen eine verschlechterte Ertragslage (2020: 45 %), 44 % geben eine unveränderte Entwicklung an, ebenfalls 44 % verzeichnen eine verbesserte Ertragslage (2020: 11 %). Die für die nächsten sechs Monate erwartete Ertragslage zeigt, dass die Mehrzahl der Unternehmen weiter vorsichtig optimistisch ist: 22 % der Unternehmen erwarten eine Verbesserung, rund 70 % rechnen mit unveränderten, 8 % mit fallenden Erträgen (2020: 28 %).
Nachdem der Beschäftigungsmotor Schwarzwald AG im letzten Jahr erstmalig seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 ins Stocken kam, nimmt er 2021 wieder an Fahrt auf. Nur noch 36 % der Unternehmen verzeichnen sinkende Beschäftigungszahlen. Im ersten Halbjahr 2020 war dies bei 50 % der Unternehmen der Fall. Gestiegen ist der Personalstand bei 51 % der Befragten (2020: 25 %). In den Prognosen sind die Unternehmen optimistisch: 43 % der Unternehmen rechnen mit steigender Mitarbeiterzahl, im ersten Halbjahr 2020 gingen 10 % von einem Anstieg aus. Nur noch knapp 7 % der Unternehmen rechnen mit einer negativen Beschäftigungsentwicklung.
Der Blick auf die Kapazitätsauslastung bestätigt das weitgehend positive Bild vom Turnaround: 21 % verzeichnen eine verbesserte Kapazitätsauslastung im ersten Halbjahr 2021 (1. HJ 2020: 2 %). 36 % geben eine verschlechterte Auslastung an (2020: 78 %), 43 % verzeichnen unveränderte Werte.
Die durchschnittliche Investitionsquote ist gemessen am (gestiegenen) Umsatz im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Sie fiel von 6,4 % auf 3,9 %.
Dabei gibt es Anlass zu Optimismus: 38 % der Befragten rechnen mit einem Anstieg der Investitionen in den nächsten sechs Monaten. Im Vorjahreszeitraum gingen nur 15 % von einem Anstieg aus.
Die Zusatzfrage der diesjährigen wvib-Konjunkturumfrage thematisierte die anstehende Bundestagswahl. Auf die Frage „Welcher Koalition trauen Sie wirtschaftspolitisch am meisten zu?“ antworteten 57,4 % der Befragten mit Schwarz-Gelb, gefolgt von 19,6 % für Schwarz-Grün. Einer Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP rechnen dagegen 16,2 % der Befragten die größte Wirtschaftskompetenz zu. Den Koalitionen unter Beteiligung der Sozialdemokraten, wie Schwarz-Rot-Gelb (3,3 %), Schwarz-Rot-Grün (1,9 %) oder einer Großen Koalition (0,9%) trauen die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer wirtschaftspolitisch am wenigsten zu.
Die Interpretation zur Diskussion: Unternehmer glauben, dass wir mit einer leistungsfähigen Marktwirtschaft und erzeugtem Wohlstand auch ökologische Fragen besser lösen können als mit Technokraten und Bürokratie.
Fazit: „Der industrielle Mittelstand hat die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise weitgehend überwunden. Lieferengpässe belasten aber die kräftige Erholung mittelfristig. Die Industrie steckt mitten im ökologisch geprägten Strukturwandel, dafür – für einen permanenten Wandel – ist sie schließlich ja auch da“, resümiert Christoph Münzer.