Der Grosse Rat tagt
(Basel) Der Grosse Rat beschliesst in der Maisitzung am 10. und 11. Mai über ein neues Partizipationsgesetz, das den Einbezug der ...
Der Grosse Rat beschliesst in der Maisitzung am 10. und 11. Mai über ein neues Partizipationsgesetz, das den Einbezug der Quartierbevölkerung bei kantonalen Planungen präzisiert. Zur Volksinitiative «Gratis-ÖV für Kinder und Jugendliche» legt die vorberatende Kommission einen Kompromissvorschlag vor. Weitere Themen betreffen die Tieferlegung der S-Bahn in Riehen, eine Arbeitsmarktzulage für das Polizeikorps, die Provenienzforschung in Museen und eine neue Städtepartnerschaft.
Neues Partizipationsgesetz
Der Einbezug der Quartierbevölkerung ist in Basel-Stadt in den letzten Jahren zu einem wichtigen Bestandteil kantonaler Planungen geworden, beispielsweise bei Arealentwicklungen oder Veränderungen von öffentlichen Plätzen. Bei Teilnehmenden kam es dabei auch zu Enttäuschungen aufgrund unterschiedlicher Erwartungen. Mit einem neuen Gesetz über die Partizipation der Quartierbevölkerung (Partizipationsgesetz) soll der Einbezug der Quartierbevölkerung nunmehr auf Gesetzesstufe festgeschrieben und präzisiert werden; bisher bilden eine Verordnung und ein Leitfaden die Grundlage. Die Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission (JSSK) stimmt einem neuen Gesetz mehrheitlich zu; es schaffe mehr Klarheit und Transparenz. Die Minderheit erachtet ein neues Gesetz als unnötig. Die Kommission beantragt zur Regierungsvorlage mehrere Änderungen. So will sie das Recht der weitergehenden Partizipation, bei der es zu einem Austauschprozess mit den Behörden kommt, stärken.
Initiative «Gratis-ÖV für Kinder und Jugendliche»
Die Volksinitiative «Gratis ÖV für Kinder und Jugendliche» fordert, dass Kinder und Jugendliche mit Wohnsitz in Basel-Stadt bis zum vollendeten 20. Altersjahr ein gratis Jahres-U-Abo beantragen können. Der Regierungsrat lehnt die Initiative ab; er rechnet bei Annahme mit jährlichen Zusatzkosten von bis zu 15 Mio. Franken. Die Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission (UVEK) ist ebenfalls grossmehrheitlich gegen die Initiative. Sie beantragt dem Grossen Rat aber mit 8:3 Stimmen bei 1 Enthaltung, der Initiative einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Statt eines Gratis-ÖV soll das Jahres-U-Abo für Kinder und Jugendliche stärker subventioniert werden. Konkret sollen Kinder und Jugendliche mit Wohnsitz in Basel-Stadt das U-Abo zum Preis von 365 Franken statt wie bisher 530 Franken erhalten. Das Angebot soll bis zum vollendeten 25. Lebensjahr gelten und auf zehn Jahre beschränkt werden. Die höhere Subventionierung hätte jährliche Mehrkosten von etwa 2,4 Mio. Franken zur Folge. Die UVEK beantragt deshalb eine Ausgabe von gut 24,1 Mio. Franken für die Jahre 2024 bis 2033.
Vorstudie zu Tieferlegung der S-Bahn in Riehen
Die geplante Taktverdichtung und damit verbunden der Doppelspurausbau der Wiesentalbahn hat für Riehen erhebliche Folgen. Einen oberirdischen Ausbau lehnen Gemeinderat und Einwohnerrat von Riehen dezidiert ab. Der Kanton und Riehen wollen daher gemeinsam eine Zusatzstudie für eine Tieferlegung der Wiesentalbahn im Dorfkern von Riehen in Auftrag geben. Zudem soll ein Testplanverfahren aufzeigen, welche Auswirkungen ein ober- oder unterirdischer Doppelspurausbau auf den Siedlungs- und Grünraum sowie die Verkehrsabläufe in Riehen hätte und mit welchen flankierenden Massnahmen darauf reagiert werden könnte. Die Kosten von 6,1 Mio. Franken wollen sich der Kanton und Riehen teilen. Der Riehener Einwohnerrat hat dem Anteil Riehens im März zugestimmt. Die UVEK und die mitberichtende Regiokommission stimmen dem Kantonsanteil in Höhe von 3,07 Mio. Franken grossmehrheitlich bzw. einstimmig zu. [Behandlung unter Vorbehalt, dass der Grosse Rat der dringlichen Traktandierung zustimmt]
Arbeitsmarktzulage für Polizei
Die Kantonspolizei kämpft mit einem Personalunterbestand. Als Sofortmassnahme, um die Attraktivität des Polizeiberufes zu steigern, beschloss der Regierungsrat im März, den rund 770 Angehörigen des Polizeikorps auf drei Jahre befristet eine Arbeitsmarktzulage zu bezahlen. Es geht um Zulagen von monatlich bis zu 400 Franken. Die Zulage wird rückwirkend per 1. März 2023 eingeführt, insgesamt kostet die Massnahme 10,3 Mio. Franken. Da die Ausgabe für das laufende Jahr in Höhe von 2,85 Mio. Franken nicht im Budget 2023 eingestellt ist, ist ein Nachtragskredit erforderlich. Die Finanzkommission anerkennt den Handlungsbedarf und stimmt der Ausgabe mit 9:1 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu. Auf Kritik stiess teilweise das Vorgehen mittels Nachtragskredit.
Provenienzforschung in Museen
Das kürzlich teilrevidierte Museumsgesetz verpflichtet die kantonalen Museen zur aktiven Provenienzforschung. Dabei geht es vor allem darum, Objekte mit problematischem historischem Hintergrund zu erfassen, um Reputationsschäden und Gerichtsprozesse zu vermeiden. Der Regierungsrat beantragt für die Jahre 2023 bis 2026 eine Rahmenausgabenbewilligung von einer Million bzw. 250'000 Franken pro Jahr, um die Museen in dieser Aufgabe zu unterstützen. Die Bildungs- und Kulturkommission erachtet diese Mittel als nicht ausreichend. Sie beantragt dem Grossen Rat mit 10:2 Stimmen, für die aktive Provenienzforschung jährlich eine Million und damit insgesamt 4 Mio. Franken zu bewilligen.
Soziale Städtepartnerschaft mit Sahab
Der Regierungsrat schlägt vor, mit der jordanischen Stadt Sahab eine soziale Städtepartnerschaft einzugehen und beantragt dafür 1,2 Mio. Franken (2023-2026). Er nimmt damit ein Anliegen des Grossen Rates auf, der einen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in Europa wünschte. In Sahab leben rund 40'000 Geflüchtete vor allem aus Syrien. Die Regiokommission unterstützt die vorgeschlagenen Projekte in Sahab mit 8:4 Stimmen nicht unter dem Dach einer Städtepartnerschaft, sondern im Sinne eines «sozialen Engagements». Ein solches verfolgt der Kanton befristet bereits für die Roma-Bevölkerung in Rumänien.
Weitere Vorlagen
Für den gemeinsamen Fachausschuss Literatur der beiden Basel möchte der Regierungsrat eine Rahmenausgabe von insgesamt 440'000 Franken (2023-2026) bewilligt erhalten.
Bei der Änderung des Bebauungsplans Erlenmatt-Areal geht es um das Baufeld J. Hier will die Stiftung Habitat nach dem Rückbau der Ziegler AG gemeinnützigen Wohnraum realisieren; auf dem Baufeld sollen neu fünf statt vier Vollgeschosse zulässig sein. Beide Vorlagen waren in der Vorberatung unbestritten.
Die Petitionskommission beantragt mit 9:1 Stimmen, die Petition «Gratishygieneartikel auf öffentlichen Toiletten» dem Regierungsrat zur Stellungnahme innert einem Jahr zu überweisen. Sie formuliert zur Petition des Jungen Rats mehrere Fragen, so zum Stand des Angebots von Hygieneartikeln (Tampons/Binden) an Schulen und zu Angeboten für armutsbetroffene und obdachlose Menschen.
Parlamentarische Vorstösse
Unter den parlamentarischen Vorstössen findet sich eine Motion, die den Erhalt des Roche-Parkhauses an der Schwarzwaldallee als Quartierparking fordert. An sich ist der Rückbau des Provisoriums auf 2026 geplant, der Kanton müsste das Parking übernehmen. Zu reden geben wird ausserdem die Zweitüberweisung der Motion, welche die Einführung der 38-Stunden-Woche für die Kantonsangestellten bei gleichbleibendem Lohn fordert. Der Grosse Rat hat die Motion im Januar zur Stellungnahme an den Regierungsrat überwiesen. Bei Motionen ergibt sich für den Regierungsrat erst mit der Zweitüberweisung ein Umsetzungsauftrag.