Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt
(Freiburg) Für Schutz und Prävention gegen sexualisierte Gewalt braucht es eine Haltungsänderung. Davon ist Erzbischof Stephan Burger ...
Für Schutz und Prävention gegen sexualisierte Gewalt braucht es eine Haltungsänderung. Davon ist Erzbischof Stephan Burger überzeugt. Im Rahmen der Tagung „Zwischen Vertrauen und Vorsicht – Kirche wird „sicherer Ort“ anlässlich der seit zehn Jahren durchgeführten Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt in der Erzdiözese erklärte er am Mittwoch (7. November) in Freiburg, dass es neben der Aufarbeitung aller einzelnen Fälle auch um Strukturen der Vertuschung, der Intransparenz, des Täterschutzes, des Widerstandes gegen Aufarbeitung und Prävention gehe: „All dies steht im Widerspruch zu unserer Präventionsordnung, zu den Leitlinien, zum Verhaltenskodex und letztlich zum Evangelium. Missbrauch pervertiert die Botschaft Christi – ich werde nicht müde, dies zu betonen.“ Er ergänzte: „Bei Missbrauch können wir kein Auge zudrücken, auch wenn er außerhalb des strafrechtlichen Rahmens stattfindet.“ Grenzverachtendes Verhalten dürfe nicht ignoriert
oder bagatellisiert werden. „Sensibilisierung, Achtsamkeit, Respekt und Transparenz müssen wir einüben, das erwarte ich von allen Mitarbeitenden in dieser Erzdiözese – vom Abteilungsleiter bis zum Ehrenamtlichen. Denn wir brauchen diese Haltungsänderung, um einerseits Vertrauen dort aufzubauen, wo es über Jahre und Jahrzehnte zerstört worden ist, und um uns andererseits den Aufgaben zu stellen, die nun neu auf uns zukommen.“
„Machtstrukturen dürfen Aufarbeitung und Prävention nicht im Wege stehen“
Als Konsequenz aus den Ergebnissen der MHG-Studie möchte Erzbischof Stephan Burger die Präventionsarbeit der Erzdiözese evaluieren und verbessern. Die von den Wissenschaftlern der MHG-Studie genannten Probleme will er mit Hilfe einer neuen Kommission aus externen und internen Personen angehen, die bereits ihre Arbeit aufgenommen hat. „Diese Gruppe prüft gegenwärtig, welche Strategien und Maßnahmen mit Blick auf Klerikalismus, Macht und Missbrauch jeglicher Art für unser Erzbistum verfolgt werden müssen.“ Auch diesbezüglich ist nach den Worten des Erzbischofs die Präventionsarbeit zu verbessern. „Machtstrukturen dürfen der Aufarbeitung und Prävention nicht im Wege stehen.“
Sorgfältige Aufarbeitung signalisiert: Wir gucken hin!
Prof. Harald Dreßing (Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Mannheim), Koordinator des Forscherkonsortiums, das die MHG-Studie erstellt hat, berichtete dem Fachpublikum über die Ergebnisse der MHG-Studie. Ursula Enders (Zartbitter e.V., Köln) betonte: „Was wir brauchen, ist eine Verantwortungsübernahme gegenüber den Betroffenen und eine Würdigung des Leids der unmittelbar und mittelbar Betroffenen.“ Es gehe dabei nicht um eine Entschuldigung, sondern um ein wirkliches deutliches „Es tut mir leid“. Das Wort „Entschuldigung“ sei zu einer Politikerfloskel verkommen. Ursula Enders plädierte für großzügige, langfristige Hilfen. Weiter betonte sie, die Kirche brauche eine unabhängige, juristische und sozialwissenschaftliche Aufarbeitung, auch exemplarisch einzelner Fälle: „Wir brauchen eine Aufarbeitung von Oberharmersbach. Wenn das sorgfältig aufgearbeitet würde, wäre das ein Signal: Wir gucken hin.“ Enders forderte fundierte, personell gut ausgestattet Teams zum Thema Prävention in den Bistumsverwaltungen, die als Stabsstellen unabhängig arbeiten können, sowie überarbeitete institutionelle Schutzkonzepte.
Cyber-Mobbing und Pornografie als aktuelle Handlungsfelder von Präventionsarbeit
Erzbischof Stephan Burger betonte, in der Erzdiözese sei während der vergangenen zehn Jahre bereits viel für den Schutz von Minderjährigen und Schutzbefohlenen erreicht worden. Bereits seit den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2002 wurden erste Präventionsmaßnahmen umgesetzt: „Da wurden eine Koordinierungsstelle Prävention eingerichtet, Präventionsordnung und Ausführungsbestimmungen erarbeitet und in Kraft gesetzt, Schulungen konzipiert und durchgeführt, Informationsveranstaltungen zu Nähe und Distanz angeboten, die Priesterausbildung für Fragen der Sexualität und des grenzachtenden Umgangs umstrukturiert.“ Er ergänzte, dass seit 2015 Mitarbeitende der Erzdiözese Freiburg nicht nur ein erweitertes Führungszeugnis einreichen und einen Verhaltenskodex unterzeichnen müssten. Priester und Ordensangehörige aus anderen Bistümern benötigten mittlerweile außerdem eine sogenannte „Unbedenklichkeitserklärung“. Außerdem wurde seit 2016 ein umfassendes institutionelles Schutzkonzept erarbeitet. Der Erzbischof von Freiburg bedankte sich bei den in der Präventionsarbeit tätigen Mitarbeitenden: „Ihnen allen ist es zu verdanken, dass Missbrauch vielerorts keinen Raum und keine Gelegenheit mehr findet. Ein ganz herzliches Vergelt´s Gott für dieses Engagement und diesen Einsatz.“
Als weitere Handlungsfelder von Präventionsarbeit verwies Erzbischof Burger auf Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen, in denen eine Pluralität der Kulturen vorherrsche. Hier sei es dringend notwendig, neben der grenzachtenden Haltung auch eine kultursensible Haltung einzuüben. In Zeiten der Digitalisierung müsse die Kirche sich außerdem für Prävention und Schutz vor sexuellem Missbrauch im digitalen Raum einsetzen. „Cyber-Mobbing oder Pornografie sind dabei nur zwei Formen des Missbrauchs, der Leid über Betroffene und Angehörige bringt. So wie sich Kirche mittlerweile im World Wide Web bewegt, muss schließlich auch unsere Präventionsarbeit auf diese Kanäle sensibel, achtsam und handlungssicher ausgeweitet werden.“